KED-Brief an Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten: „Kinder und Jugendlichen den gleichen Stellenwert einräumen wie der Wirtschaft - Kinder dürfen nicht die Verlierer der Corona-Krise werden“

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch einer Berliner Schule.

Bonn (ked). Die Katholische Elternschaft (KED) wendet sich mit einem Appell an die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder. „Kinder brauchen Kinder, um zu wachsen. Sie dürfen nicht die Verlierer dieser Krise werden“, schreibt die Bundesvorsitzende, Marie-Theres Kastner in Briefen an Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder. Es könne nicht sein, „dass die Schulen und Kindertageseinrichtungen mal auf und mal zu sind“. Das sei ein unzumutbarer Zustand für Eltern, Kinder, Lehrer und Erzieher.

 

Die KED hat in diesem und dem vergangenen Jahr jeweils eine Umfrage unter über 10.000 Teilnehmern durchgeführt. Schüler, Eltern und Lehrer gaben dabei an, wie sie mit der durch die Schulschließungen veränderten Lernsituation zurechtkamen. Zusätzlich zu dieser Umfrage hat sich die KED im April bei einer Online-Tagung mit den sozialen und psychischen Folgen von Corona befasst. Psychologen, Kinderpsychiater und eine Schulseelsorgerin berichteten aus ihrem Alltag und von ihren aktuellen Forschungen. Als Resultat kann man festhalten, dass sich zwar die technischen Voraussetzungen für ein „Lernen zu Hause“ verbessert haben und wenn noch Schwierigkeiten auftreten, diese häufig mit mangelnder Infrastruktur in unseren Städten und auf dem Land zusammenhängen. So kommt es z.B. in einer Familie, in der gleichzeitig Homeoffice und Homeschooling stattfinden, immer wieder zu Leitungsausfällen. Nach wie vor gebe es jedoch auch noch Schulen ohne WLAN-Anschluss. Dies sei schon ein Armutszeugnis für unser Land, so die KED.

 

„Was uns tief beeindruckt hat und uns sehr bedrückt, ist die Erkenntnis, dass Corona unsere Kinder in ihren Befindlichkeiten so sehr verändert. Die seelischen und sozialen Schäden nehmen - je länger die Schulen und auch Kindertageseinrichtungen geschlossen bleiben oder immer wieder neu geschlossen werden - ungeahnte Ausmaße an“, berichtet die KED-Bundesvorsitzende.

 

Kinder würden von Ängsten gequält. Sie hätten Angst, sich und damit auch andere anzustecken, ganz besonders die nächststehenden Familienmitglieder. Sie erlebten die Angst ihrer Eltern um ihren Arbeitsplatz, ihr Unternehmen. Sie fühlten sich zugleich isoliert aufgrund der fehlenden sozialen Kontakte. Die Lernsituation sei bei nicht wenigen Familien alles andere als ideal. Die Eltern gerieten dabei an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit im Spagat zwischen Homeschooling und Homeoffice. Die Wohnraumsituation – gerade in städtischen Ballungsgebieten – führe des Öfteren zu Konflikten durch mangelnde Möglichkeiten der Entzerrung.

 

Was den Lernstand betrifft, müsse man davon ausgehen, dass rund ein Drittel aller Jungen und Mädchen schulisch abgehängt werde. Die Auffälligkeiten der Kinder hätten inzwischen Krankheitswerte angenommen. Die Kinder- und Jugendpsychologen sind auf Monate ausgebucht. Diese Auflistung der Schließungsfolgen könne noch um viele Beispiele ergänzt werden.

 

Deshalb sei es an der Zeit, den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen jetzt den gleichen Stellenwert einzuräumen wie der Wirtschaft.

 

Diese neue Priorisierung habe dann Konsequenzen für politisches Handeln:

Es kann nicht sein, dass weiterhin die Inzidenzen das Maß aller Entscheidungen im Bildungsbereich sind. Wie kommt dieser Grenzwert überhaupt zustande? Mittlerweile gibt es namhafte Wissenschaftler, die auch dazu aufrufen, hier differenzierter vorzugehen, wie z.B. sich an den Fallzahlen der Krankenhausaufnahmen zu orientieren.

Ein Blick in benachbarte Länder: Schweiz und Frankreich beschult die Kinder in Präsenz!

 

Es kann nicht sein, dass pauschal Schulen und Kitas geschlossen werden, ohne differenzierter hinzuschauen. Es kann nicht sein, dass man Schulen und Kitas schließt, statt in die Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu investieren. Dazu gehören technische Maßnahmen, wie z.B. Raumlüfter, Schulwegentzerrung, ebenso das Impfen des pädagogischen Personals sowie das kontinuierliche Testen der Schüler*innen.

 

Es seien zwar Hilfsmaßnahmen zur Aufarbeitung der entstandenen Defizite angekündigt und zum Teil schon eingeleitet worden. Aber auch bei diesen Vorhaben höre man immer wieder Klagen, dass diese Hilfeleistungen mit einem nicht vertretbaren Umfang an Bürokratie verbunden seien und gerade in finanziell schlecht gestellten Kommunen an deren geforderter Beteiligung scheitern. „Diese Hürden müssen umgehend beseitigt werden“, sagt Kastner.

 

Der Bundesverband der Katholischen Elternschaft Deutschlands (KED) hat zum zweiten Mal binnen eines Jahres eine Umfrage zum Lernen zuhause in der Corona-Krise gestartet. Mit drei unterschiedlichen Online-Fragebögen wurden erneut Schüler, Lehrer UND Eltern befragt, wie sie die Herausforderungen des neuen Lernalltags im zweiten Lockdown gemeistert haben. Eine Übersicht über die wichtigsten Ergebnisse finden Sie hier.

 

26.04.2021

Foto: Bundesregierung/Denzel