Monat für Monat einen Tag der Demokratie in der Schule gestalten

 

Ein Best-practice-Bericht aus der Thomas-Morus-Schule Osnabrück

 

100 Jahre Weimarer Verfassung – 2019 ist sie legitimiertes Vorbild des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird anerkannt als Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte. 2009, gerade mal zehn Jahre zuvor, haben weder die bundesdeutsche Regierung noch die Lehrer:innen der Osnabrücker Thomas-Morus-Schule an Stabilität und der gelebten Selbstverständlichkeit deutscher Demokratie gezweifelt. Es herrschte ein „wohliges drin leben“. Doch jetzt, schon vor der weltweiten Pandemie, die die einsetzende gesellschaftliche Unruhe noch befeuert, wird die Demokratie in Europa, und eben auch in Deutschland, angefochten.

Nebendran bewegt Greta Thunberg Schüler:innenmassen für den Klimaschutz auf internationale Straßen. Automarken bekommen Millionenstrafen für Täuschen und Betrügen. Die heute gar nicht mehr übersehbaren Probleme der Deutschen Bahn füllen erstmals in hohem Maße die Zeitungen. Youtuber Rezo arbeitet sich mit großer Öffentlichkeitswirkung an der CDU ab und die AfD fährt in Sachsen und Brandenburg als jeweils zweitstärkste Landespartei zweistellige Gewinne ein. Die Stichworte Trump, Christchurch und Anlaufnehmen Großbritanniens für den Brexit mögen die Stimmung in dieser Zeit weiterhin beschreiben.

 

Alle sollen sich demokratischen Themen stellen

Das Team der Thomas-Morus-Schule fühlt in dieser Zeit Handlungszwang. „Wir müssen den Schüler:innen zeigen, wie wertvoll unser demokratisches Leben ist und ihnen das Handwerkszeug zum Erhalten dieser Bedingungen vermitteln. Und das mit mehr (authentischer) als dem üblichen Fachunterricht.“ Eine Arbeitsgruppe aus Schulleitung, Fachkonferenzleitungen Geschichte, Erdkunde, Politik, Religion, dem Zuständigen für den Umgang der Schule mit dem Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, Schülervertreter:innen und berufenen Interessierten erdenkt ein auf die Schüler:innen zugeschnittenes Konzept.

Und so entsteht der Plan, einmal im Monat den „Tag der Demokratie“ mit dem Ziel stattfinden zu lassen, demokratische Grundwerte verbindlich in den Schulalltag zu integrieren. Jede Klasse findet das Motto des jeweiligen Monats gut sichtbar an ihrer Klassenraumtür. Im Rahmen des Klassenlehrer:innenunterrichts thematisieren sie das Monatsthema klassenspezifisch, um ihre Sicht der Dinge oder Arbeitsergebnisse auf einer ebenso monatlich stattfindenden Schulvollversammlung für alle sicht- oder hörbar einzubringen. Am Tag der Vollversammlung geht es im Fachunterricht des Tages sogar ausschließlich um das Monatsmotto. Alle in der Osnabrücker Oberschule sind aufgefordert, sich der Thematik bestmöglich nach ihren Fähigkeiten zu stellen.

 

Demokratiefeindlichkeit durch Aktion entgegentreten

Und so kommt es im Laufe der Jahre zu den unterschiedlichsten Mottos, die die Demokratiegruppe der Schulgemeinschaft auf die Fahne schreibt: „Respekt – und ich?“, „Zuflucht – Heimat für alle?“, „Anne Frank – Auseinandersetzung mit ihrem Leben und Wirken als Konsequenz für heute“, „375 Jahre Westfälischer Friede“, „Die Thomas-Morus-Schule und ihr Umgang mit Social Media“, „Die Macht und das Erkennen von Fake News“, „Juniorwahl in der Sek I“, „Schüler:innenvertretung als Mitbestimmungsgremium“, „Wählen gehen trotz Frust?“, „Haltung zeigen – aber wie?“, „Wir bleiben wir – ein Statement gegen willkürliche Ausgrenzung“, „Friedensmenschenkette von der TMS zum Osnabrücker Friedensrathaus“, „Wirksamkeit des Jugendparlaments“, „75 Jahre Grundgesetz – Schatz bis heute?“, Besuche von Politiker:innen in der TMS und gemeinsamer Austausch im Rahmen der Vollversammlung, …

Es ist gut, dem reinen Erleben von Demokratiefeindlichkeit in Aktion entgegenzutreten. Es entspricht der Verantwortung christlicher Schule, Demokratie als Ordnung toleranten Lebens, als politischer Rahmen von Nächstenliebe und der Freiheit des Einzelnen im Bildungshorizont zu verankern. Nur gelebte Demokratie und ihre sicht-/spürbare Verteidigung lässt Schüler:innen zu wachen Demokrat:innen heranwachsen. Wer die Thomas-Morus-Schule verlässt, kann nicht sagen, er wisse von nichts.

 

Weiterführende Links:

https://thomas-morus-schule.de/tag-der-demokratie-an-unserer-schule/

https://wiki.thomas-morus-schule.de/ Stichwort “Demokratie“

 

Der Autor: Matthias Wocken, bis Juli 2024 Leiter der Thomas-Morus-Schule in Osnabrück, seit August 2024 in der Schulstiftung im Bistum Osnabrück u.a. für die pädagogische Entwicklung der Stiftungsschulen zuständig

 

Die Reihe: „Gesellschaft von morgen wird sein, was Schule heute ist.“ Unter diesem Leitwort trägt die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) Best-practice-Beispiele aus der schulischen Arbeit zusammen. Im Fokus steht die Stärkung demokratischer Werte.