Demokratie erlebbar und resilient gegenüber den Extremen machen

 

Ein Best-practice-Bericht aus dem Nikolaus-von-Weis-Gymnasium Speyer

 

Die Demokratie steht heute unter Druck. In vielen Teilen der Welt, auch in unseren westlichen Demokratien, sehen wir eine zunehmende Polarisierung, sinkendes Vertrauen in Institutionen und eine wachsende Kluft zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Solche Entwicklungen werden berechtigte Fragen auf: Befinden wir uns in einer Krise der Demokratie? Und wenn ja, wie können wir dieser begegnen?

Hier kommt die Rolle der Schulen ins Spiel. Schulen sind nicht nur Bildungsinstitutionen, sondern auch gesellschaftliche Werkstätten, in denen Werte, Normen und Zukunftsperspektiven vermittelt werden. Die Art und Weise, wie wir Demokratie in unseren Schulen leben und lehren, hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit und Zukunft unserer Gesellschaft.

Es gilt, neue Wege der Beteiligung zu schaffen und selbst zu erfahren, dass die eigene Stimme zählt, um Demokratie erlebbar und resilient gegenüber den Extremen zu machen. Dazu gehören folgende Punkte:

 

1. Demokratieförderung durch Bildung

Schulen sind Orte, an denen junge Menschen zum ersten Mal umfassend mit dem Konzept der Demokratie in Berührung kommen. Es ist unsere Aufgabe, ihnen nicht nur die Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu vermitteln, sondern auch praktische Erfahrungen zu bieten, wie Demokratie funktioniert. Dies geschieht nicht nur in der Theorie im Fachunterricht, sondern auch durch den Alltag in der Schule: durch Schülervertretungen, Klassenrat und Mitbestimmungsmöglichkeiten.

2. Kritisches Denken und Medienkompetenz

In Zeiten von Desinformation und populistischen Tendenzen ist die Fähigkeit, Informationen kritisch zu hinterfragen, wichtiger denn je. Schulen müssen Schüler dazu anregen, nicht nur passiv Wissen zu konsumieren, sondern auch aktiv zu reflektieren. Die Vermittlung von Medienkompetenz und die Fähigkeit zur kritischen Analyse sind Schlüsselkompetenzen, um in einer zunehmend komplexen Welt den Überblick zu behalten und fundierte Entscheidungen zu treffen.

3. Integration und Partizipation

Ein zentraler Aspekt der Demokratie ist die Integration aller gesellschaftlichen Gruppen und die Förderung von Teilhabe. Schulen sind Mikrokosmen der Gesellschaft und bieten die Gelegenheit, Werte wie Respekt, Toleranz und Solidarität aktiv zu erleben. Durch inklusive Bildung und die Förderung von Vielfalt können Schulen dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und ein Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit zu schaffen.

4. Stärkung der jungen Generation

Die Zukunft unserer Demokratie liegt in den Händen der nächsten Generation. Schulen haben die Verantwortung, Schüler zu ermutigen, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren. Dazu gehört, ihnen zu zeigen, wie sie ihre Stimme erheben können, wie sie an demokratischen Prozessen teilnehmen und wie sie Verantwortung übernehmen können.

5. Herausforderungen und Chancen

Natürlich stehen auch Schulen vor Herausforderungen. Die Digitalisierung bringt neue Anforderungen an Lehrpläne mit sich. Gleichzeitig bietet sie Chancen, die Bildungslandschaft zu bereichern und die Demokratie zu stärken. Schulen müssen innovative Wege finden, um mit diesen Veränderungen umzugehen und sicherzustellen, dass alle Schüler Zugang zu hochwertigen Bildungserfahrungen haben.

 

Als Modellschule für Demokratie und Partizipation sehen wir unseren Auftrag ganz besonders in der demokratischen Bildung, der aktiven Einbindung aller Schülerinnen und Schüler in Entscheidungsprozesse und der Förderung von kritischem, reflektiertem Denken. Die Schüler sollen ermutigt werden, sich auch außerhalb der Schule zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen.

Wie kann das im Alltag aussehen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Demokratie und Partizipation an Schulen zu erlebbar zu gestalten. Sei es durch AGs, Klassensprecherwahlen oder den Demokratie-Tag. Drei Konzepte möchte ich genauer vorstellen:

 

1. Schule als Staat

Vor den Sommerferien fand an unserer Schule die Projektwoche „Schule als Staat“ statt. Hier wurde die Schule zu einem eigenen Staat, mit einer eigenen Währung, einem eigenen Parlament und allen anderen Institutionen, die einen Staat eben ausmachen. Schüler konnten Geschäfte eröffnen, sich zur Wahl aufstellen lassen, als Polizisten und Sanitäter arbeiten, mussten Steuern zahlen und vieles mehr. Die einzige Vorschrift lautete: die Schüler müssen die Herausforderungen, die sich ihnen stellten, selbst lösen und können nicht die Lehrkräfte jederzeit um Hilfe bitten. Für alle Beteiligten (vor allem für die Lehrer) eine echte Herausforderung!

2. Der Klassenrat

Der Klassenrat fördert demokratisches Miteinander in der Schule, indem die Schüler entscheiden, welche Themen sie in den wöchentlichen Sitzungen beraten und lernen so mehr über Organisation, Problembewältigung und das Zusammenleben in der Klasse. Neben einem Vorsitzenden, einem Regelwächter und den Ratsmitgliedern gibt es auch einen Protokollanten, der alle Themen und Beschlüsse schriftlich festhält. Das Materialpaket ist in Rheinland-Pfalz kostenlos.

3. Aula

Momentan wird gerade das Onlineforum „Aula“ an unserer Schule etabliert. Hier können Schülerinnen und Schüler konstruktives Feedback und Veränderungsvorschläge bezüglich des Schullebens online posten und zur Abstimmung bereit stellen. Moderiert werden die Themen von Schülern und Lehrer, die in Workshops zu Moderatoren ausgebildet wurde. Erhält der eigene Vorschlag genügend Stimmen, ist man für die Umsetzung verantwortlich, nachdem man ihn bei einer Konferenz präsentierte.

 

Abschließend möchte ich betonen, dass die Krise der Demokratie nicht als unabwendbares Schicksal betrachtet werden sollte. Vielmehr liegt die Hoffnung auf einer aktiven und engagierten Bildungsarbeit, die in Schulen beginnt und in der Gesellschaft weitergetragen wird, indem wir in unseren Schulen investieren, schaffen wir eine Grundlage für eine gesunde, funktionierende und zukunftsträchtige Demokratie. Lassen sie uns gemeinsam dafür arbeiten, dass unsere Schulen Orte der demokratischen Bildung bleiben, an denen junge Menschen nicht nur Wissen erwerben, sondern auch zu verantwortungsvollen Bürgern heranwachsen.

 

Die Autorin: Jana Kuhn, Studienrätin im Privatschuldienst am katholisch getragenen Nikolaus-von-Weis-Gymnasium aus Speyer, einer von 52 Modellschulen für Partizipation und Demokratie in Rheinland-Pfalz

 

Die Reihe: „Gesellschaft von morgen wird sein, was Schule heute ist.“ Unter diesem Leitwort trägt die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) Best-practice-Beispiele aus der schulischen Arbeit zusammen. Im Fokus steht die Stärkung demokratischer Werte.