Mehr Bildungsgerechtigkeit für Jungen

Resümee des Bundeskongresses 2016 in  Berlin
Der Katholischen Elternschaft Deutschlands ist bewusst, dass die Verbesserung der Bildungschancen von Jungen eine vielschichtige Aufgabe ist, für die es keine Patentlösungen geben kann. Nach intensiver Diskussion auf ihrem Bundeskongress in Berlin fordert die Katholische Elternschaft daher:

  • Eine Männerquote von 40% bis zum Jahr 2025 in den Lehr- und Erziehungsberufen in allen Stufen und Einrichtungen
    Jungen benötigen beim Heranwachsen auch erwachsene Bezugspersonen des eigenen Geschlechts. Sie reagieren auf Männer häufig anders als auf Frauen.
    Wir beobachten in den letzten Jahren zunehmend eine Feminisierung des Bildungswesens. Über alle Schulformen gerechnet sind über 70 % aller Menschen in Lehr- und Erzieherberufen Frauen. In den Kindergärten und Vorklassen sowie in den Grundschulen findet man nur noch vereinzelt Männer als Erzieher oder Lehrer, auch in der Oberschule sind sie inzwischen deutlich in der Minderheit.
    Viele Familien bestehen nicht mehr aus Mutter, Vater und Kindern (rund 90 % aller Alleinerziehenden sind Frauen). So finden immer mehr Jungen keine männlichen Bezugspersonen in der Familie mehr.
  • Mehr Schulen für Jungen
    Wir befürworten grundsätzlich die Koedukation. Koedukation kann jedoch kein Dogma sein. Daher stünde es dem breitgefächerten Bildungsangebot in Deutschland gut an, wenn es genauso viele Schulen für Jungen gäbe wie für Mädchen. Hier könnten dann auch Erfahrungen gesammelt werden, die zur Förderung der Jungen in den koedukativ ausgerichteten Regelschulen nutzbar gemacht werden können.
  • Mehr Möglichkeiten der Geschlechtertrennung in den Schulen und deren wissenschaftliche Begleitung
    Auch in der koedukativ ausgerichteten Regelschule müssen verstärkt Möglichkeiten geprüft werden, einzelne Fächer oder Lehreinheiten nach Geschlechtern getrennt und gegebenenfalls mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten zu unterrichten. Erfahrungen zeigen, dass beide Geschlechter hiervon profitieren können, Mädchen eher in den MINT-Fächern, Jungen in den sprachlich-musischen Fächern.
  • Mehr gesellschaftliche Anerkennung für Lehrerinnen und Lehrer
    Deshalb müssen Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufs ergriffen werden.
  • Mehr Flexibilität bei der Einschulung
    Das Festhalten am Einschulungsalter für Jungen ist gerade für diese oft die Grundlage eines schweren Schulstarts. Hier wäre es durchaus sinnvoll, genauer hinzuschauen und mehr Flexibilität zu ermöglichen.
  • Eine Zusammenarbeit zwischen Schulen und Eltern, die sich den Problemen stellt und gemeinsam über Lösungen und Förderansätze diskutiert. Die Eltern müssen erfahren, dass Lehrerinnen und Lehrer sich den Problemen der Kinder – speziell denen der Jungen - mit ihrem ganzen Erfahrungswissen stellen. Nur so können sie auch aus dem Elternhaus heraus, die Arbeit der Schulen stützen und damit ihren Kindern helfen.
  • Die Einrichtung entsprechender Forschungsschwerpunkte an den Hochschulen, die sich dem Thema der Chancengerechtigkeit von Jungen stellen und praktische Lösungsansätze für die Schulen ebenso entwickeln wie Module für die Lehrerbildung.

Jahrelang stand die Förderung von Mädchen und jungen Frauen im Fokus der Schulpolitik. Zu Recht, denn hier bestand großer Nachholbedarf. In den letzten Jahren beobachten wir jedoch zunehmend eine Verschlechterung der Schulerfolge von jungen Männern im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen.
Die Zahlen der zahlreichen Untersuchungen schwanken im Detail, die Tendenz aber ist dieselbe:

  • Über 50 % der Mädchen eines Jahrgangs machen  heute  Abitur, nur wenig  mehr als 40 % der Jungen.
  • Die Hauptschulen werden zu fast 60 % von Jungen, und nur zu etwas mehr als 40 % von Mädchen besucht,
  • Auf den Förderschulen kommen auf ein Mädchen fast zwei Jungen.
  • In der 9. Klasse liegen die Mädchen beim Lesen durchschnittlich ein ganzes Schuljahr vor den Jungen.
  • Lediglich in den MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, schneiden Jungen im Durchschnitt besser ab als die Mädchen.

Die empirischen Befunde belegen: Jungen haben es auf ihrem Bildungsweg oft schwerer als Mädchen. Es ist eine Frage der Chancengerechtigkeit, das zu ändern!
Wir Eltern wissen: Jedes Kind ist anders. Jedes entwickelt sich unterschiedlich und hat spezifische Bedürfnisse.
Bildungserfolg hängt natürlich nicht nur vom Geschlecht ab. Aber Mädchen und Jungen unterscheiden sich typischerweise in der Entwicklung voneinander. Dieser Erfahrung darf sich Pädagogik nicht verschließen. Sie muss auf Unterschiede von Mädchen und Jungen eingehen. Bildungsgerechtigkeit fordert zunächst einmal Realismus und Praxisnähe.

Sie finden das Resümee des Bundeskongresses 2016 auch hier als PDF-Dokument.

 

 

Dokumente zum Thementag auf dem Bundeskongress 2016 in Berlin

„Jungen und Schule: Auf die Eltern kommt es an!“

Dr. Reinhard Winter
Sozialwissenschaftler und Leiter des Sozialwissenschaftlichen Institutes in Tübingen

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„Bi-Edukation: getrennt zusammen“

OStD‘ i.K. Birgit Heinen
Schulleiterin des Erzbischöflichen Clara-Fey-Gymnasiums Bonn

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„Angepasste Mädchen, aufmüpfige Jungs – Werden die LehrerInnen den Jungen gerecht?“

Peter Silbernagel
Vorsitzender des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen

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„Zeit für eine Bildungsoffensive für Jungen“

Horst Hennert
Geschäftsführer der Fördergemeinschaft für Schulen in freier Trägerschaft e.V.

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„Männliche Handlungsmuster von Jungen im pädagogischen Alltag – Fallen und Chancen, Risiken und Ressourcen“

Olaf Stuve
Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V., Berlin

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In der nachstehenden Materialsammlung finden Sie Links zu externen Texten und Studien zu diesem Thema:

  • Bildungserfolg ist in Deutschland seit einigen Jahren überwiegend Frauensache. Mehr als die Hälfte der Mädchen jedes Geburtsjahrgangs machen inzwischen Abitur – aber nur etwa 41 Prozent der Jungen. Dieses Ungleichgewicht hat Folgen für die persönlichen Karrieremöglichkeiten und führt zu einem gesellschaftlichen Missverhältnis. Worauf lassen sich die Bildungsunterschiede von Jungen und Mädchen zurückführen und wie wäre ihnen zu begegnen? Diese Fragen hat das Berlin-Institut in der Studie untersucht.